Die von der Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und KVWL, Münster gemeinsam mit der Firma Juzo in Zusammenarbeit mit der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des St. Josef Hospitals und dem Venenzentrum der Dermatologischen und Gefäßchirurgischen Kliniken, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum durchgeführte Veranstaltung stand dieses Jahr unter dem Titel „Lymphologie trifft Narbentherapie“.
Hochkarätige Referenten spannten einen weiten Themenbogen, beginnend mit diagnostischen Möglichkeiten lymphatischer Erkrankungen, zu chirurgischen und physikalisch-konservativen Therapieoptionen von Ödemen mit und ohne Narben, über die Behandlung von Wunden bei Schwellungen, bis hin zu futuristischen Behandlungsmöglichkeiten. Hinweise zur korrekten Verordnung von Kompressionsversorgungen rundeten das Programm ab.
Fast 400 Besucher aus Ärzteschaft, Therapie und med. Fachhandel nutzten die Fortbildung für ein Update der Standards und Einblicke in neueste wissenschaftliche Erkenntnisse.
Zum Auftakt informierte Prof. Dr. med. Markus Stücker über eine aktuelle Änderung, wonach Lipödeme der Stadien I bis III seit Januar 2020 als Erkrankung mit einem besonderen Verordnungsbedarf anerkannt seien. Die Kosten für die Manuelle Lymphdrainage bei diesen Indikationen würden dadurch bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der verordnenden Ärzte nicht mehr berücksichtigt. Diese Regelung sei zunächst bis Dezember 2025 befristet.
Einen umfassenden Überblick über die Anatomie und Physiologie des Lymphgefäßsystems und der Lymphknoten gab Eckard Rupp, Schwerpunktpraxis Lymphologie und Wundmanagement, Freiburg. Neben dem Rücktransport nicht resorbierter Flüssigkeit und Eiweißmolekülen in den venösen Blutkreislauf erfülle das Lymphsystem zudem immunbiologische Aufgaben und sei auch am Transport von Nahrungsfetten ins Blut beteiligt. Die apparativen Diagnostikmöglichkeiten in der Lymphologie würden immer differenzierter und verlagerten sich zunehmend auf die Ebene der zellulären Diagnostik. Die frühzeitige Erfassung von Krankheitsprozessen und das frühe Ergreifen therapeutischer oder prophylaktischer Maßnahmen werde dadurch möglich. Neben Ultraschall, Direkter und Indirekter Lymphographie, Endolymphatischer Radionuklidtherapie oder der Indocyanin-Grün-Fluoreszenz-Lymphographie käme heute vorwiegend die MR-Lymphographie zum Einsatz. Nach interstitieller Gabe von dextranmarkierten superparamagnetischen Eisenoxyd-Partikeln erfolge eine hochauflösende MRT. Diese Methode habe eine hohe Zuverlässigkeit, insbesondere auch bei der Suche nach Tumor-Metastasen. Bei der Untersuchung des Hereditären Lymphödems spiele künftig die Humangenetik eine immer wichtigere Rolle.
Was muss der Chirurg bei bestehendem Lymphödem beachten? Dieser Frage widmete sich Assoc.-Prof. PD Dr. Chieh-Han John Tzou, Wien/Österreich. Grundsätzlich bedürfe es einer Bestätigung der Diagnose Lymphödem, z.B. durch eine Lymphszintigraphie. Eine evtl. vorliegende Veneninsuffizienz müsse vor einem chirurgischen Eingriff behandelt werden. Ebenso sei für eine ausgewogene Ernährung und Antibiotika-Prophylaxe zu sorgen. Erst wenn diese Maßnahmen sowie eine mindestens 6-monatige KPE keine Verbesserung des Krankheitsbildes brächten, sei der Einsatz operativer Maßnahmen anzudenken. Dabei sei zwischen resektiven (z.B. Charles-Resektion) und rekonstruktiven chirurgischen Methoden zu unterscheiden. Letzterer sei, falls realisierbar, der Vorrang zu geben.
Die Entwicklung in der Mikrochirurgie ermögliche mittlerweile lymphovenöse Anastomosen an Gefäßen dünner als 0,8 mm. Alternativen wären die mikrovaskuläre Lymphknotentransplantation oder auch die Lappentransplantation, die jedoch von den Patienten nicht so gut angenommen würde.
Tissue Engineering (Gewebezüchtung) in der Lymphologie war Thema von PD Dr. med. Anja M. Boos, Aachen. Ein Engpass bei rekonstruktiven mikrochirurgischen Verfahren wie Lymphgefäß-Transplantation oder Lymphovenösen Anastomosen sei die begrenzte Verfügbarkeit von geeignetem Gewebe. Auch gebe es die Gefahr von Hebemorbiditäten oder der Verletzung von Organen (z.B. am Darm). Zudem bestehe das Risiko von zusätzlichen Lymphödemen an der Hebestelle der Lymphknoten/Lymphgefäße. Eine Lösung stelle die künstliche Herstellung von lymphatischem Gewebe dar. Besonders Stammzellen eigneten sich sehr gut für die Züchtung von Ersatzgeweben, da sie an vielen Regulationsprozessen im Körper teil nähmen und auch andere Zellen durch Wachstumsfaktoren in ihrem Verhalten beeinflussen könnten. Das Hauptproblem bestehe jedoch noch in der Blutversorgung der neuen Gewebe.
Als Narbe werde nach Zerstörung des kollagenen Netzwerkes der Haut ein minderwertiges, faserreiches Ersatzgewebe (Fibrose) bezeichnet, das einen Endzustand der Wundheilung darstelle, so Dr. med. Klaus Hoffmann, Bochum. Noch Wochen bis Monate nach Wundverschluss entwickle sich das Narbengewebe weiter. Bei Narben sei das Kollagen nicht mehr komplex verflochten, sondern parallel angeordnet. Als Narbentypen seien „normale“ Narben, atrophe und hypertrophe Narben sowie Keloide zu unterscheiden. Vor allem die Keloide wären aufgrund ihrer Beeinträchtigung des Patienten häufig therapiebedürftig. Ziel der Keloid-Therapie seien die Reduktion von Größe und Volumen, der funktionellen Behinderung sowie auch von Juckreiz, Spannungsgefühl und Schmerzen. Dr. Hoffmann stellte verschiedene etablierte Verfahren aus der AWMF Leitlinie „Therapie pathologischer Narben“ vor. Neben Bestrahlung, Chirurgie und Kryochirurgie gehört hierzu auch die Kompressionstherapie. Für diese spreche besonders, dass sie effektiv und nebenwirkungsarm sei und bereits prophylaktisch angewandt werden könne.
Über seine Erfahrungen im Management der Lymphe im Wundbett berichtete Carsten Hampel-Kalthoff, Dortmund. Ursache von Lymphstaus bzw. -abflussproblemen bei großflächigen Wunden seien die Zerstörung der Lymphbahnen sowie die Inaktivität des Lymphsystems. Dazu käme eine häufig fehlende oder ineffektive Komplexe Entstauungstherapie. Gründe hierfür lägen in mangelnder Verordnung seitens der Ärzte sowie fehlenden Kapazitäten bei den Therapeuten. Auch seien Lymphtherapeuten und Pflegefachkraft in der ambulanten Versorgung kaum zusammen zu bringen. Als Lösung forderte Carsten Hampel-Kalthoff bessere interprofessionelle Versorgungsstrukturen in den Netzwerken, eine veränderte rechtliche Grundlage im Zulassungsverfahren für Physiotherapiepraxen sowie bessere Vergütungen für die zeitaufwendige Versorgung der Patienten.
Das Ödem vor und nach Haut- bzw. Gewebetransplantation: Petra Gerlach-Geltl, Pfarrkirchen, beleuchtete wichtige Aspekte der Kompressionsversorgung in der Lymph- und Narbentherapie. Am Beispiel einer Thoraxversorgung stellte sie die verschiedenen Ausführungsvarianten, unterschied-lichen Verschlussmöglichkeiten sowie die unzähligen individuellen Sonderausstattungen vor, die für die Compliance der Patienten und den Behandlungserfolg ausschlaggebend sind. Die Kompressionstherapie sei nachweisbar hochwirksam in der Narben- und Ödemtherapie. Bei der Verordnung sei jedoch exakt nach Ödem oder Narbe zu differenzieren. So seien für Narbenversorgungen keine Angabe von Kompressionsklasse oder einer spezifischen Form (z.B. AD) nötig. Auch bzgl. dem Anmessen (Narbe: Hautmaß / Lymphologie: Zugmaß), der Tragedauer sowie den zusätzlichen Ausstattungen (Narbe: Silikon / Lymphologie: Druckpelotten) gebe es Unterschiede.
Die Manuelle Entstauungstherapie unter besonderer Berücksichtigung von Narben beleuchtete Hans Pritschow, Waldkirch. Das Therapieprocedere der KPE werde bestimmt von den ursächlichen Faktoren und dem aktuellen Status der Narbe. Welche physiotherapeutischen Maßnahmen wann angewandt werden, hänge von der Beschaffenheit und dem Alter der Narbe ab. Die Manuelle Lymphdrainage mit der spezifischen Wund- bzw. Nahtkompression finde
möglichst zeitnah nach einer Traumatisierung statt. In der fortgeschrittenen Proliferationsphase der Wundheilung beginne die manuelle Narbenlockerung mit Kneif-, Dehn- und Verschiebgriffen und auch das elastische Taping komme zur Anwendung. Sei die Narbe mit dem Unterhautgewebe, Sehnen, Bändern und anderen Strukturen „verbacken“, kämen das Narbenmassagestäbchen und aggressive, unruhige Polsterungen unter funktionellen Verbänden zum Einsatz. Ziel der physiotherapeutischen Maßnahmen sei es, die postoperative Lymphgefäßregeneration zu fördern, das eiweißreiche Wundödem zu beseitigen und die Wundheilung zu begünstigen. Auch sollten Narbenkontrakturen und Bewegungseinschränkungen verhindert sowie der der Elastizitätsverlust der Haut und des Gewebes neben der Narbe möglichst gering gehalten werden.
Faszientechniken und osteopathische Möglichkeiten als ergänzende Therapie bei Lymphödemen und Narben hinterfragte Katharina Müller, Waldkirch. Wenn alle Organe und Gewebe ausgenommen die Faszien aus dem Körper entfernt werden würden, so bliebe die Form des Körpers dennoch erhalten. Faszien umhüllten jeden Muskel, jedes Gefäß, jeden Nerv und sämtliche Organe. Das Prinzip der faszialen Kontinuität im gesamten Körper sei eine zentrale Säule der osteopathischen Therapie. Als vornehmlich längsverlaufende Strukturen seien Faszien abzugrenzen von Diaphragmen. Jene zeichneten sich durch ihren horizontalen Verlauf aus und ließen sich in anatomische-respiratorische und funktionelle-osteopathische Diaphragmen unterscheiden. Therapie der Wahl bei Lymphödemen sei heute die KPE mit den Bausteinen MLD, Kompression, Hautpflege sowie Bewegungsübungen. Bisher konzentriere sich die Bewegungstherapie mehr auf die aktiven Gelenkbewegungen, um den Lymphabfluss zu unterstützen. Mit Hinzunahme der Faszien und Diaphragmen im bewegungs-therapeutischen Konzept würde die KPE nochmals auf ein neues Niveau angehoben werden – hieraus ergäben sich eine Vielzahl an neuen Therapiemöglichkeiten.
Der wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. med. Markus Stücker und die Veranstalter freuten sich über die sehr gute Resonanz auf dieses Symposium. Die Vorbereitungen für den 10. Bochumer Lymphtag sind bereits in Gange. Dieser wird am 30.01.2021 stattfinden.
Julius Zorn GmbH
Juzo mit Hauptsitz im bayerischen Aichach wurde 1912 in Zeulenroda (Thüringen) gegründet und beschäftigt weltweit über 1.100 Mitarbeitenden. Mit der Schwesterfirma in den USA und den verschiedenen Tochterfirmen und Vertriebsorganisationen in Europa und Kanada bedient der Hersteller medizinischer Hilfsmittel einen internationalen Markt. Als Spezialist mit über 100 Jahren Erfahrung in der Kompressionstherapie hat Juzo es sich zur Aufgabe gemacht die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und Beschwerden nachhaltig zu lindern. Dafür produziert das Unternehmen innovative Produkte – größtenteils „Made in Germany“ – aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Narbenmanagement und Orthopädie wie Kompressionsversorgungen in Rund- und Flachstrick sowie Bandagen und Orthesen. Neben den Produkten der Fachhandels-Marke Juzo gibt es die Juzo Akademie mit Fortbildungen für den medizinischen Fachhandel, die Marke sportomedix mit hochfunktionellen Produkten für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler und die Marke EquiCrown mit medizinischen Kompressionsbandagen für Pferde. Mit Hightech, Handarbeit und Herzblut arbeiten die Mitarbeitenden bei Juzo an innovativen und individuellen Lösungen für mehr Lebensfreude in Bewegung. Weitere Infos unter juzo.de