Am 29. Oktober 2022 veranstaltete Juzo zum 9. Mal das Narbensymposium am Spreespeicher Berlin mit der Möglichkeit zur Präsenz- und Onlineteilnahme. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. med. Bernd Hartmann, Chefarzt am Zentrum für Schwerbrandverletzte mit Plastischer Chirurgie am Unfallkrankenhaus Berlin und Univ.-Prof. Dr. med. Frank Siemers, Direktor der Klinik für Plastische und Handchirurgie /Brandverletztenzentrum Halle, lag der Fokus 2022 auf den Themenkomplexen: Verbrennungschirurgie, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie sowie interdisziplinären und interprofessionellen Teamarbeit.
Unter dem Credo „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ wurde außerdem der Stellenwert der Patientinnen und Patienten hervorgehoben. Denn die Behandelten schenken uns ihr Vertrauen in eine bestmögliche medizinische Versorgung und Rehabilitation und unser Ziel ist es, die höchstmögliche Lebensqualität zu schaffen.
Zur Einführung und Begrüßung sprach Dr. med. Bernd Hartmann über die Errungenschaften bei der Therapie von Brandwunden im Laufe der vergangenen 50 Jahre. Dabei spannte er den Bogen von längst überholten Standardverfahren, wie der Behandlung von Brandwunden mit Amnion, Leichenhaut oder Schweineschwarten bis hin zu den heutzutage zeitgemäßen, hoch spezialisierten Verbrennungszentren.
Einblicke in die neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse
Das Vortragsangebot eröffnete Univ.-Prof. Dr. med. Lars-Peter Kamolz, MSc, Graz mit einem Beitrag zum Thema Verbrennungsmodelle in der präklinischen Forschung. Coramed widmet sich der Erforschung grundlegender Prozesse wie Wundheilung, Bildung hypertropher Narben und Hautalterung. Dabei werden kliniknahe Modelle entwickelt, die beispielsweise zum Erproben verschiedener Materialien genutzt werden und sich schnell und einfach in die Kinikpraxis übertragen lassen. Ein Fazit: Wichtig ist für die Haut, die inflammationsfreie Wundheilung. Denn Wunden, die lang nicht heilen, bilden oft hypertrophe Narben.
Über die Akutversorgung in der Verbrennungsmedizin berichtete Dr. med. Markus Öhlbauer, Murnau.
Dabei wurde das Vorgehen Schritt für Schritt erläutert: Beginnend beim Legen eines venösen Zugangs für eine Flüssigkeitsinfusion und Verlagerung in eine Spezial-Badewanne, über das Abdecken mit in Wundantiseptikum getränkten Tüchern und Abtragen von Blasen und Haaren, um die Keimgefahr zu verringern, bis hin zur Versorgung mit Hydrophasenverbänden. Im Vortrag wurde außerdem die Durchführung von Escharotomie und Fasziotomie angesprochen und wie man vorgeht, wenn durch die Verbrennung der Blutfluss in die Hand unterbrochen wird.
Dr. med. Mechthild Sinnig, Hannover, referierte zu den Besonderheiten in der Therapie beim Kind und hatte gute Neuigkeiten zu berichten: So sei dank Prävention die Zahl großflächiger Flammenverbrennungen zurückgegangen, wobei zusätzlich die Mortalität bei unter 1% läge. Verbrühungen seien mit 75 bis 80% die häufigste Ursache von thermischen Verletzungen. Bedauerlicherweise sind 75 bis 80% der behandelten Kinder Säuglinge. Eine Besonderheit in der Therapie von Kindern sei, dass hier die Neunerregel nach Wallace zur Bestimmung des prozentuellen Ausmaßes der Verbrennung bei Kindern nicht angewandt wird. Bei Kindern gelte die Handflächenregel. Zudem bestünde bei Kindern die Gefahr einer Hyperthermie, da weniger Fett und Muskelmasse vorhanden sei. Daher wäre das Wärmemanagement, zum Beispiel durch Erhöhen der Raumtemperatur oder Zudecken, bei Erstversorgung und OP essentiell. Auch der Faktor Wachstum sei bei einer Therapie immer mit zu berücksichtigen.
Ein gewebeschonendes Debridement von Brandwunden mit Nexobrid stellte Dr. med. Frank Sander,Berlin, vor. Nexobrid ist ein Enzym, das aus der Ananaspflanze gewonnen wird. Es wird für die Behandlung von tiefen Verbrennungen der Grade 2b und 3 innerhalb der ersten drei bis fünf Tage genutzt. Außerdem verwende man Nexobrid um das Kompartmentsyndrom und damit folgende chirurgische Eingriffe wie die Escharotomie zu vermeiden.
Prof. Dr. med. Marcus Lehnhardt, Bochum, berichtete über die Vorzüge von Kerecis. Einer Ersatzhaut, die aus Fischhaut von Nordsee-Kabeljau gewonnen wird. Diese sei poröser und lockerer als Schweinehaut. Kerecis sei ein Pradigmenwechsel. Denn im Wundbereich würde nur das Gewebe entfernt, das entfernt werden müsse. Durch die Verwendung von Kerecis müsse weniger operiert werden, weil es die Wundheilung beschleunige und eine Abheilung tieferer Defekte ermögliche. Zusammenfassend könne man sagen, Kerecis ist eine Möglichkeit, um bei Problemwunden eine Wundheilung zu erreichen ohne in den OP zu müssen.
Den Einfluss von Polylactid (Suprathel) auf die Wundheilung stellte Dr. med. Matthias Rapp aus Stuttgart vor.
Suprathel sei eine mikroporöse Membran, die auf der Wunde angewandt werde. Es habe einen positiven Einfluss auf die Wundheilung und fördere eine regenerative, narbenfreie Abheilung sowie die Bildung von Kollagen. Außerdem verringere es die Neigung zur Inflammation, senke den pH-Wert der Wunde und reguliere die Wundheilung.
Den Möglichkeiten und Grenzen bei der sekundären plastisch-chirurgischen Korrektur von Narben-Deformitäten nach Verbrennung widmete sich der Vortrag von Prof. Dr. med. C. Can Cedidi, Bremen. An diversen Beispielen wurden Therapiekonzepte und operative Möglichkeiten zur Verringerung der Narbenfläche aufgezeigt. Neben unterschiedlichen Techniken wie Z-Plastik und Lappenplastik wurde zum Beispiel auch die Rekonstruktion von Augenliedern und Ohren thematisiert.
Der Vortrag von Dr. med. Nicos Marathovouniotis, Köln, widmete sich der Frage, in wie weit sich bei Erwachsenen etablierte (rekonstruktive) chirurgische Konzepte auf die Behandlung von Kindern übertragen lassen. Dabei wurden die Besonderheiten in der Behandlung von Kindern hinsichtlich Defektdeckung, Exzision von Nävus Sebaceus, freier Lappenplastik, mikrochirurgischer Rekonstruktion, dermalem Hautersatz sowie Z-Plastiken bei Finger- und Handkontrakturen, aufgezeigt. Patientenfälle aus der Praxis dienten der weiteren Veranschaulichung.
Dr. med. Seyed Arash Alawi, FEBOPRAS, Dresden stellte lokale Störfaktoren der Wundheilung wie Gewebetraumatisierung, Infektion und Fremdkörper sowie systemische Störfaktoren wie Bestrahlung, Alter, Autoimmunerkrankungen und Medikation vor. Außerdem widmete er sich Narben die aufgrund ihrer Position schwierig zu behandeln sind, wie Hals und Thorax, Zonen mit hohem Bewegungsumfang wie das Schultergelenk und Bereiche mit hoher Spannung wie Fußsohlen oder Rücken. Sein Fazit: Um eine bestmögliche Wiederherstellung von Form, Funktion und Ästhetik zu erreichen ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit essentiell.
Damit schaffte er die perfekte Überleitung zum Vortrag Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Versorgung bei Weichteil-Rekonstruktion von Dr. med. Simon Kuepper, Berlin. In diesem hob er die Bedeutung der klaren Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen Gastroenterologie, Radiologie, Sanitätshaus und Ergotherapie hervor. Für den gemeinschaftlichen Erfolg sei es wichtig, einen Behandlungsführer festzulegen, eine für alle verständliche Sprache zu finden und sich regelmäßig abzustimmen und die Aufgaben zu koordinieren.
Über die Auswirkungen der Pandemie auf die Unfall- und Verletzungshäufigkeit referierte Dr. med. Ina Nietzschmann, Halle. Durch den Lockdown habe die Zahl der Behandlungen in der Unfallchirurgie zuerst abgenommen. Im Verlauf der Pandemie sei jedoch die Zahl der Unfälle in der Freizeit, beim Heimwerken, im Garten oder Haushalt gestiegen, während Unfälle im Arbeitsumfeld rückgängig waren. Im Bereich der Verbrennungen war die Entwicklung besonders überraschend. So hätten die Fallzahlen bei Kindern zugenommen, während sie im selben Zeitraum bei Erwachsenen abgenommen hätten.
Im Vortrag von Dr. med. Gabriel Hundeshagen (MMS), Ludwigshafen standen Herausforderungen und Erwartungen rund um die Lebensqualität unserer Patienten*innen im Fokus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass gerade bei Schwerstbrandverletzten die Überlebenschancen durch eine bessere Intensivmedizin und mehr Erfahrung in der Behandlung von Verbrennungen deutlich gestiegen sei. Bei der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Lebensqualität gäbe es große Unterschiede. So schätzen Kinder die eigene Lebensqualität besser ein als ihre Eltern. Dementsprechend sei auch das Thema Depressionen der Behandelten eher überschätzt. Dahingegen sei die Erhaltung der Beweglichkeit und Funktionalität sehr relevant für die Lebensqualität.
Über die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit sowie individuelle innovative Behandlungen bei schwerbrandverletzten Patienteninnen und Patienten sprach Prof. Dr. med. Clemens Schiestl, Zürich. Er zeigte die Bedeutung des Teams im Wandel der Zeit auf. Außerdem verschaffte er einen Überblick, wer alles in den Heilungsprozess involviert sei und nannte neben den Betroffenen und deren Familien, Plastische Chirurgie, Anästhesie, Pflegepersonal, Hautlabor, Forschung, Kindergarten, Schule, Sozialberatung, Psychologie, Ergotherapie, Physiotherapie und Orthopädietechnik. In Hinblick auf den bestmöglichen Umgang mit den Behandelten zitierte er die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.
Das Narbensymposium gab Einblicke in die Möglichkeiten und Perspektiven der innovativen Narbentherapie, überzeugte durch seine hochkarätige Besetzung von Referentinnen und Referenten sowie Teilnehmenden und bot Raum für Diskussion, Vernetzung und einen interdisziplinären und interprofessionellen Wissenstransfer. Beim anschließenden Get-together bestand die Möglichkeit, sich mit den Referentinnen bzw. Referenten und Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.
Vor Ort und online waren rund 170 Teilnehmende aus der ganzen Welt mit dabei.
Julius Zorn GmbH
Juzo mit Hauptsitz im bayerischen Aichach wurde 1912 in Zeulenroda (Thüringen) gegründet und beschäftigt weltweit über 1.100 Mitarbeitenden. Mit der Schwesterfirma in den USA und den verschiedenen Tochterfirmen und Vertriebsorganisationen in Europa und Kanada bedient der Hersteller medizinischer Hilfsmittel einen internationalen Markt. Als Spezialist mit über 100 Jahren Erfahrung in der Kompressionstherapie hat Juzo es sich zur Aufgabe gemacht die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und Beschwerden nachhaltig zu lindern. Dafür produziert das Unternehmen innovative Produkte – größtenteils „Made in Germany“ – aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Narbenmanagement und Orthopädie wie Kompressionsversorgungen in Rund- und Flachstrick sowie Bandagen und Orthesen. Neben den Produkten der Fachhandels-Marke Juzo gibt es die Juzo Akademie mit Fortbildungen für den medizinischen Fachhandel, die Marke sportomedix mit hochfunktionellen Produkten für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler und die Marke EquiCrown mit medizinischen Kompressionsbandagen für Pferde. Mit Hightech, Handarbeit und Herzblut arbeiten die Mitarbeitenden bei Juzo an innovativen und individuellen Lösungen für mehr Lebensfreude in Bewegung. Weitere Infos unter juzo.de