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Begeisterung trifft auf Erfahrung: Phlebologisches Symposium in Mönchengladbach

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. med. Tobias Görge, Münster, erlebte am 26.03.2022 in Mönchengladbach ein neues Phlebologisches Symposium seine erfolgreiche Premiere.

Die Vielfalt der Phlebologie praxisnah erleben 
Die Phlebologie ist ein attraktives Fach im interdisziplinären Kontext. Durch die Fachverankerung in der Dermatologie, Angiologie und Gefäßchirurgie ist es eine besondere Herausforderung, ihre vielfältigen Themen in kompakten Fortbildungsformaten unterzubringen. Das diesjährige Symposium in Mönchengladbach bildete den vielversprechenden Auftakt für eine neue Fortbildungsreihe unter dem Motto „Xperience meets Enthusiasm – Begeisterung trifft Erfahrung“. Sie möchte interessierte angehende Medizinerinnen und Medizinier aller Disziplinen, die sich für phlebologische Inhalte begeistern, mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zusammenführen. Die gesamte Bandbreite der Phlebologie und ihre Behandlungsmethoden im state of the art sowie praktische Tipps für den Alltag wurden im Rahmen des Programms vermittelt.  

I. Druck und Entlastung 
Prof. Dr. med. Markus Stücker, Bochum, eröffnete das Symposium mit dem Vortrag „Moderne Kompressionstherapie: Behandlungsoptionen und Indikationen mit Beispielen aus dem Alltag“ und stellte sieben Leitfragen vor, die bei der Wahl der Kompressionstherapie helfen können: die Frage nach der Phase der KPE, dem Hilfsmittel in der Entstauungsphase, Flach- oder Rundstrick, offener oder geschlossener Fußspitze, der Kompressionsklasse, der Therapiedauer und einer ggf. bereits vorhandenen Ulzeration.  
Zum Postthrombotisches Syndrom: State of the art, referierte Prof. Dr. med. Tobias Görge, Münster. Bei der Diagnose „Tiefe Beinvenenthrombose“ müsse man sofort an die Prophylaxe des Postthrombotischen Syndroms denken, sonst drohten Lungenembolie oder Chronisch Venöse Insuffizienz. Die sofortige Einleitung einer medikamentösen Therapie sei angezeigt. Die Evidenzlage für sofortige Kompressions-Therapie mit individueller Dauer ab sechs Monaten sei gut. Bei Hautläsionen solle die zu behandelnde Person in der Phlebologie/Wundambulanz vorgestellt werden.  
Dr. med. Andreas Dietrich, Gmund am Tegernsee, berichtete von der Pudendalen Varikosis – Versorgungswirklichkeit und Therapiemöglichkeiten im Alltag. Die genitale Varikose in der Schwangerschaft sei häufig (10%), verursache ein unangenehmes Druckgefühl und sei meist postpartal spontan regredient. Das pelvine Stauungssyndrom habe typischerweise zyklisch abhängige Schmerzen im Unterbauch und Beinen. Die Refluxquelle sollte mit Hilfe von Angio-MR gesucht werden. Hier biete sich eine minimal-invasive Therapie an. Bei der isolierten genitalen oder pudendalen Varikose sei die Sklerotherapie der Goldstandard. 

II. Heiß, klebrig, schnittig, schäumend: Endoluminales 
Das Endoluminale Verfahren mit Venenkleber stellte Dr. med. Jörg Fuchs, Köln, vor und zeigte wie ein solcher Eingriff unter Ultraschall-Dokumentation abläuft. Der Kleber löse sich langfristig auf, ab zwölf Monaten beginne die Absorption. Als Vorteile nannte er wenig Schmerzen, dass kein Narkosearzt und keine Kompressionsstrümpfe nötig seien und dass der/die Betroffene sofort wieder die täglichen Aktivitäten aufnehmen könne. 
Der Gefäßchirurg Dr. med. Dr. med. univ. Dominic Mühlberger, Herne, referierte über den Stellenwert der extraluminalen Valvuloplastie (eVP) bei Insuffizienz der Terminalen und Präterminalen Klappe. Dieses Verfahren unterscheide sich von anderen Verfahren dadurch, dass es die Venen nicht zerstöre, sondern erhalte. Vorausgesetzt die Klappensegel sind mobil, werden die Venenklappen von außen mit einer Kunststoffmanschette ummantelt. Dadurch schließen die darunter liegenden Klappensegel wieder und die Venenklappe könne ihre Funktion wieder ausüben. Das Verfahren sei besonders geeignet für Patientinnen und Patienten, für die die Nutzung der Vene als  Bypassgefäß notwendig sein könnte, zum Beispiel bei einer Stammveneninsuffizienz plus KHK, pAVK oder PTS. Es führe zu einer Verbesserung der Venenfunktion, Reduktion des Durchmessers der VSM und zur  Normalisierung der venösen Hämodynamik. In Zukunft werde es gegebenenfalls ein perkutanes, minimal invasives Vorgehen geben.  
„Lebensqualität und Radiofrequenzablation (RFA) nach chronisch venöser Stammveneninsuffizienz“ war das Thema einer Studie mit 119 Teilnehmende, die Dr. med. Carolin Mitschang, Münster, präsentierte. Die Lebensqualität nach RFA verbessere sich signifikant, genau wie die abgefragten Symptome wie Schwellungen, Schweregefühl und Schmerzen, die sich bereits nach vier Wochen verbesserten. Sichtbare Varikosen und Hautveränderungen bräuchten längere Zeit. Die RFA liefere aus medizinischer und aus Patientensicht (94% Weiterempfehlung) gute Ergebnisse. Für die Praxis bedeute die Studie, dass der modifizierte  Dermatologische Lebensqualitäts-Index (DLQI) als praktisches Tool für die Alltagsroutine eingesetzt werden könne und die Lebensqualität bei der Wahl des Therapieverfahrens eine Rolle spielen sollte. Als nächster Schritt seien eine Follow-up-Studie und die Validierung des modifizierten DLQI sinnvoll. 
Dr. med. Eva Gkogkolou, Düsseldorf, sprach über „Transdermale vaskuläre Laser in der ästhetischen Phlebologie: Von der Theorie in die Praxis“. Die transdermale Lasertherapie sei eine effektive und sichere Therapieoption in der ästhetischen Phlebologie und bei verschiedenen Indikationen eine sinnvolle Ergänzung zur Sklerotherapie oder sogar die einzige Behandlungsoption. Durch klinische Beispiele wurden die Vorteile, die Einschränkungen sowie Erfolge und mögliche Nebenwirkungen der Lasertherapie im Vergleich zur Sklerotherapie diskutiert. Voraussetzungen für den Umgang mit Lasern sei eine Laserschutzschulung (NiSV) und Erfahrung mit dem angewendeten Lasersystem.  

III. Perlen in der täglichen Praxis 
„Aktuelle Fälle: Wie hätten Sie entschieden?“ lautete der Titel des Vortrags von Dr. med. Jasmin Woitalla-Bruning, Hamburg. Wenn man davon ausgeht, dass man bei der Diagnostik zunächst vom  wahrscheinlichsten Auch wenn in der Diagnostik gelte „Was häufig ist, ist häufig, was selten ist, ist selten.“ so könne man dennoch nur das diagnostizieren, was man kenne. Daher stellte Dr. Woitalla eine kleine Auswahl an wichtigen Differenzialdiagnosen aus der phlebologischen Sprechstunde dar wie motorische Nervenläsion, Acrodermatitis chronica atrophicans oder oberflächliche Venenthrombose und betonte, wie wichtig es sei, mit Fehlern offen umzugehen, sich zu kümmern und aus ihnen zu lernen. 
Dr. med. Matthias Hoy, Münster, widmete sich der „Akuten einseitigen Beinschwellung – Diagnostik und Therapie“ und stellte den Fall einer Patientin mit wenig Beschwerden, leichtem Spannungsgefühl und Juckreiz, ohne Schmerzen vor. Hier wurde zunächst eine tiefe Beinvenenthrombose via D-Dimere Wert und Wells Score sowie mittels Kompressionssonographie eine Thrombose ausgeschlossen. Nach einer Medikation ohne Besserung wurde durch MRT eine massive subkutane entzündliche Veränderung befundet und mit Antibiotika therapiert. Bei Laboruntersuchungen habe es eine Auffälligkeit beim Differentialblutbild sowie bei der Histologie gegeben. Die Verdachtsdiagnose „Eosinophile Fasziitis“ konnte medikamentös und mit Kompressionstherapie gut behandelt werden. Als Differentialdiagnosen bei einseitiger Beinschwellung kämen venöse, infektiöse oder im weiteren Sinne entzündliche, lymphogene oder neoplastische Diagnosen in Frage. 
Mit der Calziphylaxie – Differentialdiagnostik und Therapieempfehlungen beschäftigte sich Prof. Dr. med. Stefan W. Schneider, Hamburg, in seinem Vortrag. Die Calziphylaxie sei selten, aber aufgrund ihrer Mortalität, der extremen Schmerzen und des schnellen progredienten Verlaufs wichtig zu kennen. Zackige, schwarze Nekrosen, Verhärtung, Lokalisation (fettreich), Komorbiditäten, oft beginnend mit einer Livedo-Zeichnung und schneller Ulzeration seien typisch für das Krankheitsbild. Die Calziphylaxie käme häufig bei Nierenkranken vor, aber auch bei Nierengesunden und es könnten auch innere Organe betroffen sein. Er ging auf Risikofaktoren, Differentialdiagnosen, Therapiemöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit mit Nephrologen und Wundbehandlung ein. 
Dr. med. Erika Mendoza, Wunstorf, gab Einblicke in das aktuelle Thema „Covid-19 und Thrombose, was wissen wir heute?“. Sie stellte Studien zu Thrombose bei Covid vor. Bei der durch Corona verursachten Embolie nekrotisieren kleinste Gefäße, die prophylaktisch mit Heparin behandelt werden könnten und die Sterblichkeit auf Intensivstationen reduziere. ASS als Prophylaxe sofort nach Ansteckung senke die Todesrate. Da eine Grippeimpfung Grippesymptome verursache rufe eine Covid-Impfung Covid-Symptome hervor, von denen die Thrombose ein Hauptsymptom sei.  

IV. Spannungsfeld Adipositas und Lymph- /Lipödem: Was tun, worauf warten? 
Über „Liposuktion: Update zu Indikationen und Therapietechniken“ informierte Dr. Dr. med. univ. Hans Bayer, Freiburg. Liposuktion sei eine Therapie, bei der man sich im Spannungsfeld zwischen Medizin und Kosmetik bewege. Der pathologische Adipozyt stehe im Zentrum des Geschehens beim Lipödem und sei für den Schmerz verantwortlich. Das Phänomen der silent inflammation erkläre Ödem und Hämatome. Die Liposuktion sei unverzichtbar in der Therapie des Lipödems, weil sie eine minimal invasive, gewebe- und lymphgefäßschonende Therapie sei, die ein maximales Resultat bringe.  
Prof. Dr. med. Birgit Kahle, Lübeck, brachte Patientenfälle mit, die das praktische Vorgehen in der Sprechstunde bei kräftigem Bein: Differenzierung Adipositas vs. Lip-/ Lymph-/ Phlebo-Ödem illustrierten. Die Differenzierung sei nicht einfach, da die Grenzen zwischen Phlebödem und Lymphödem „klar und fließend“ seien, ebenso zwischen Adipositas und Lipödem. Deshalb sei es wichtig, die Patientinnen und Patienten als Ganzes wahrzunehmen, die Anamnese mit Ruhe und gezieltem Nachfragen durchzuführen und sie körperlich und apparativ zu untersuchen. Ödeme mit Hautveränderungen sollten duplexsonographisch abgeklärt werden. Eine Corona phlebectatica paraplantaris als Zeichen einer CVI sei ähnlich bedeutsam wie das Kaposi-Stemmer-Zeichen beim Lymphödem. Entzündliche Prozesse spielten sowohl bei der fortgeschrittenen CVI als auch bei Lymphödemen eine Rolle. 
Dr. O.R.M. Wikkeling, MBA, Drachten, Niederlande, berichtete über „Varikosis in den Niederlanden – Versorgungswirklichkeit state of the art: Varikosisversorgung und Kompressionstherapie im Alltag“. In den Niederlanden werde die Behandlung der Varikose von verschiedenen Spezialisten wie Phlebolog*innen, Dermatologinnen bzw. Dermatologen und Gefäßchirurginnen bzw. -chirurgen durchgeführt, da der Beruf des/der Phlebologen/in nicht geschützt sei. Da auch Ausbildung uneinheitlich und nicht eindeutig definiert sei, könnten auch Nicht-Mediziner behandeln. Erst seit 2014 gebe es nach langem Streit eine klare und eindeutig definierte Erstattungspolitik. Zudem gab er einen Einblick in den Einfluss der Politik und der Versicherungen, Versorgungswege, Behandlungsmethoden, Weiterbildungsmöglichkeiten und Leitlinien zur Behandlung. 

Einblicke in die neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse 
Die Veranstaltung überzeugte durch hochkarätige Referierende und internationale Teilnehmende. An phlebologisch interessierte Ärztinnen und Ärzte, therapeutische Fachkräfte, medizinisches Personal und Versorgungsfachkräfte des medizinischen Fachhandels gerichtet, bot die Veranstaltung über Ländergrenzen hinweg viel Raum für Gespräche und Diskussionen untereinander und für das Kennenlernen von neuen Kolleg*innen mit gleichen Interessen.  
In Anbetracht der angespannten Covid-Situation fand das Symposium als hybride Veranstaltung mit mehr als 70 Präsenzteilnehmern und 125 Online-Teilnehmern aus acht Nationen statt –  neben Deutschland aus den Niederlanden, Bulgarien, Österreich, China, Singapur, Nigeria und Kenia. Prof. Dr. med. Tobias Görge kündigte bereits das nächste Phlebologische Symposium am 25. März 2023 in Münster an. 
Mehr zu den Veranstaltungen der Akademie finden Sie unter juzo.de/akademie

Julius Zorn GmbH

Juzo mit Hauptsitz im bayerischen Aichach wurde 1912 in Zeulenroda (Thüringen) gegründet und beschäftigt weltweit über 1.100 Mitarbeitenden. Mit der Schwesterfirma in den USA und den verschiedenen Tochterfirmen und Vertriebsorganisationen in Europa und Kanada bedient der Hersteller medizinischer Hilfsmittel einen internationalen Markt. Als Spezialist mit über 100 Jahren Erfahrung in der Kompressionstherapie hat Juzo es sich zur Aufgabe gemacht die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und Beschwerden nachhaltig zu lindern. Dafür produziert das Unternehmen innovative Produkte – größtenteils „Made in Germany“ – aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Narbenmanagement und Orthopädie wie Kompressionsversorgungen in Rund- und Flachstrick sowie Bandagen und Orthesen. Neben den Produkten der Fachhandels-Marke Juzo gibt es die Juzo Akademie mit Fortbildungen für den medizinischen Fachhandel, die Marke sportomedix mit hochfunktionellen Produkten für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler und die Marke EquiCrown mit medizinischen Kompressionsbandagen für Pferde. Mit Hightech, Handarbeit und Herzblut arbeiten die Mitarbeitenden bei Juzo an innovativen und individuellen Lösungen für mehr Lebensfreude in Bewegung. Weitere Infos unter juzo.de

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