Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. med. Bernd Hartmann, Berlin, Univ.- Prof. Dr. med. habil. Adrian Dragu, Dresden, und Univ.-Prof. Dr. med. Frank Siemers, Halle, lag der Fokus in diesem Jahr auf vier medizinischen Themenkomplexen: die Hand, Amputationen und prothetische Versorgung, das Lipödem aus Sicht der Plastischen Chirurgie und die Adipositas.
Thematisiert wurden die Grundlagenforschung und Genetik sowie die heutigen medizinischen Standards und zukünftige Therapien. Auch ein durchdachtes Nachsorge- und Rehabilitationskonzept und konservative und chirurgische Therapiemöglichkeiten wurden diskutiert. Besonders in der Narbentherapie sei die interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich, aber auch herausfordernd, so Dr. med. Hartmann.
Einblicke in die neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse
Die Veranstaltung eröffnete Prof. Dr. med. Frank Unglaub, Bad Rappenau, mit einem Vortrag zur evolutionsbiologischen Entwicklung der Hand hin zur beweglicheren, aber instabileren 5-Strahlen-Hand, die den Kraft- und Präzisionsgriff ermöglicht. Arten mit langem, kräftigem und gut beweglichem Daumen hätten sich durchgesetzt, seien aber auch der Grund für eine der häufigsten Erkrankungen der Hand, der Rhizarthrose. Auch in der heutigen menschlichen Hand seien Charakteristika von 250 Mio Jahren Entwicklung weiterhin erkennbar.
Des Weiteren sollte der Smartphone-Gebrauch sollte reduziert werden, da erste Studien negative Folgen zeigen würden und vermutlich in ca. 20 Jahren mehr Patienten mit Rhizarthrose zu erwarten seien, so Prof. Unglaub.
Mit rekonstruktiver Chirurgie im Kindesalter aufgrund von Handfehlbildungen beschäftigte sich Anne Reiß, Hamburg.
1-2% der Neugeborenen hätten Handfehlbildungen, am häufigsten seien unterbliebene Trennungen der Finger sowie Doppelungen. Im Vordergrund stehe die bestmögliche Funktion bei möglichst gutem Aussehen. Bei guter Funktion müsse nicht operiert werden. Prinzipien der Behandlung seien Stabilisierung, Weitung, Verschmälerung, Achskorrektur und Weichteilvermehrung.
Rekonstruktive Chirugie nach Trauma beleuchtete Dr. med. Florian Bönke, Dresden. Wichtig sei, dass die rekonstruktive Balance eingehalten werde: die Morbidität im Spendergebiet müsse mit dem Benefit im Empfängergebiet abgeglichen werden. Ziel sei die Wiederherstellung von Form, Funktion und Ästhetik.
Dr. med. Simon Kuepper, Berlin, betrachtete die rekonstruktive Chirurgie bei thermischen Verletzungen. Hier sei eine möglichst frühe Schadensbestimmung wichtig. Die rekonstruktive Leiter sei kein starres Konzept, sondern werde durch die Bedürfnisse der zu behandelnden Person und den Funktionsverlust/die Wunde bestimmt. Bei oberflächlichen Verbrennungen würden oft konservative Therapien durchgeführt, bei tieferen Verbrennungen werde operativ therapiert. Bei der Behandlung der Hand unterscheide man zwischen der widerstandsfähigeren Leistenhaut auf der Handinnenseite und der labileren Haut am Handrücken. Ein multiprofessionelles Team sei bei komplexen Verfahren essentiell.
Die rekonstruktive Chirurgie bei Tumoren an der Hand stellte Priv. Doz. Dr. med. habil. Michael Steen, Leipzig, vor. Er ging dabei vor allem auf die ambulant entfernbaren, kleinen Tumore ein, die die Masse darstellen. Bei Tumoren stelle sich die Frage wie man mit Haut-/Weichteilüberschuss oder -Defizit umgehe. Bei kleinen und kleinsten Defekten sollte man immer an die Möglichkeit kleiner lokaler Lappenplastiken denken, weil diese die Sicherheit der Primärheilung erhöhen und oft qualitativ das Ergebnis verbessern würden.
Univ.-Prof. Dr. med. Frank Siemers, Halle, stellte in seinem Vortrag „Die Rehabilitation der Hand“ den Ablauf von Rehamaßnahmen in der BG Klinik Bergmannstrost vor. Die Operation und Rekonstruktion sei nur die „halbe Miete“, danach warte viel Arbeit auf Patientinnen und Patienten und therapeutisches Fachpersonal. Er stellte die rechtlichen Grundlagen, Untersuchungsmöglichkeiten und Therapieangebote dar und verglich gesetzliche und berufsgenossenschaftliche/Unfall- Reha. Handrehabilitation folge einem ganzheitlichen, multimodalen, interdisziplinären und individuellen Behandlungskonzept unter fachärztlicher, handchirurgischer Leitung.
Dr. med. Melissa Beirau, Berlin, erklärte die optimale Versorgung bei Amputationen aus medizinischer, therapeutischer und rehabilitativer Sicht. Sie stellte Amputationsursachen vor und ging darauf ein, welche Voraussetzungen für eine optimale Versorgung in Bezug auf die Konfiguration von Stumpf und Narbe nötig sind. Die Versorgung könne durch eine gute Behandlungsplanung optimiert werden, wobei die Reha bereits mit der OP-Planung beginne. Sie betonte, dass Amputation ein plastisch-rekonstruktiver und kein destruktiver Eingriff sei. Dr. Beirau zeigte auf, welche Probleme beim Stumpf auftreten können, wie z.B. Ödemneigung oder vermehrtes Schwitzen, stellte Lösungsansätze vor und ging auf Besonderheiten der Narbe am Amputationsstumpf ein. Versorgungen nach Amputationen könnten nur im interprofessionellen Team und durch Mitarbeit der Patientenunter Betrachtung seiner Kontextfaktoren und Situation gelingen.
Über Wunderwerke der Technik und die Möglichkeiten im Prothesenbau sprach Christian Hartz, Berlin, und gab einen Überblick über die Entwicklung der Prothetik seit den 1920er Jahren. Amputationsursache, operatives Ergebnis sowie die psychische-kognitive Konstitution seien die Entscheidungsparameter für den funktionell zu erwartenden Outcome. Er schilderte den Aufbau einer prothetischen Versorgung und verglich verschiedene Materialien und verwendete Technologien. Belastbare Festlegung von Schafttechnologie, Systemkonfiguration und zugehörigem Spezialtraining seien nach wie vor die ausschlaggebenden Faktoren für eine erfolgreiche Adaption der komplexer werdenden Prothesensysteme. Die Entwicklung erfordere die Festlegung verbindlicher Qualitätsstandards, die mit medizinischen Zentren und qualifizierten Leistungserbringern realisiert werden können. Außerdem steige die Relevanz digitaler Systemkomponenten in der gesamten Hilfsmittelversorgung mit deutlichen Steigerungen im Anforderungs-, Zertifizierungs- und Kostenbereich.
„Konservative und chirurgische Therapieoptionen des Lipödems und dessen Nachbehandlung“ lautete der Titel des Vortrags von Dr. med. Feras Taqatqeh, Dresden. Er sprach über Definition, Symptome (Leitsymptom Schmerz), die unklare Ätiologie, Differentialdiagnosen, häufige Fehldiagnosen sowie Stadien- und Typeneinteilung des Lipödems. Als Therapieziele nannte er die Beseitigung/Besserung der Befunde und der Beschwerden (Schmerzen, Ödem, Disproportion) und Verhinderung von Komplikationen. Die konservative Behandlung sei lebenslang nötig und bestehe aus der Zweiphasen-Therapie mit Entstauung und Erhaltung (Manuelle Lymphdrainage, Kompressionsbehandlung, Bewegungstherapie, Ernährung, Psychosoziale Therapie). Bei der chirurgischen Therapie stehe die Entfernung des krankhaften Fettgewebes durch lymphbahnschonende Liposuktion im Vordergrund, anschließend erfolgten Straffungseingriffe und Nachbehandlung, bei der die Kompressionstherapie eine wichtige Rolle spiele.
Möglichkeiten und Grenzen der konservativen Adipositastherapie präsentierte Dr. med. Dr. h.c. Arya M. Sharma, Edmonton / Berlin. Nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis führe der konservative Behandlungsansatz „weniger essen und mehr bewegen“ nur in den seltensten Fällen zu einer dauerhaften Gewichtsabnahme. Dafür sorgen komplexe neuroendokrine Mechanismen, die einer angestrebten Gewichtsabnahme entgegenwirken. Zum einen bewirken diese Mechanismen, dass es sich bei der Adipositas i.d.R. um eine lebenslange chronische, progrediente Krankheit – und nicht um ein Lebensstilproblem – handle, zum anderen erklären sie, weshalb pharmakologische oder chirurgische Ansätze zur Unterstützung der Verhaltensänderung oft notwendig seien. Der/Die Betroffene müsse zwar Ernährung und körperliche Aktivität umstellen, aber eine dauerhafte Gewichtsabnahme gelänge nur, wenn frühzeitig und parallel dazu psychologisch, pharmakologisch oder operativ unterstützt werde.
Dr. med. Sylvia Weiner, Frankfurt, berichtete über den aktuellen Stand bariatrischer Behandlungsoptionen. Ein Viertel aller Deutschen habe Adipositas mit einem BMI über 40kg/m², das sind ca.20 Mio Menschen, wovon 14.000 jährlich operiert werden. Je höher der BMI, umso höher sei das Risiko für Nebenerkrankungen. Interdisziplinäre Therapie der Adipositas bestehe aus Prävention, Konservativer Therapie, Operativer Therapie und Nachsorge. Dr. Weiner thematisierte Therapieoptionen wie Schlauchmagen, Magenbypass, kombinierte Techniken und metabolische Verfahren wie SASI. Neu sei die Robotik bei der Operation, bei der Ärzteinnen und Ärzte Instrumente über eine Konsole steuern. Vorteile seien ein besserer Zugang bei hohem Gewicht, verkürzte OP-Zeiten sowie verkürzte Erholungszeiten der behandelten Person.
Dr. med. Dr. medic Olimpiu Bota, Dresden, widmete sich der Körperformung nach Gewichtsreduktion. Dabei verbessere sich die Körperkontur, jedoch entstünden immer Narben, die natürlich versteckt oder unauffällig platziert werden sollen. Eine gleichzeitige Durchführung von Liposuktion und Resektion biete optimale Ergebnisse mit wenigen Komplikationen. Dr. Bota zeigte Beispiele für Bruststraffung, Mammareduktionsplastik, Brustautoaugmentation, Oberarm- und Oberschenkelstraffung, Rückenstraffung/Bodylift sowie Abdominoplastik mit und ohne medialer Narbe. Diese Operationen dürften nicht verwechselt werden mit ästhetischen Operationen. Hier gehe es darum, die Lebensqualität der Betroffenen durch Funktionsherstellung zu verbessern. Große Komplikationen seien durch minutiöse Planung und Durchführung vermeidbar und könnten meist konservativ behandelt werden.
Das Narbensymposium gab Einblicke in die Möglichkeiten und Perspektiven der innovativen Narbentherapie, überzeugte durch seine hochkarätige Besetzung von Referierenden und Teilnehmenden und bot Raum für Diskussion, Vernetzung und einen interdisziplinären und interprofessionellen Wissenstransfer. Beim anschließenden Get-together bestand die Möglichkeit, sich mit den Referierenden und Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.
Rund 100 Teilnehmende vor Ort und weitere 100 Registrierungen für die Online-Formate (Livestream und Mediathek) aus der ganzen Welt waren an dem Tag mit dabei.
Mehr zu den Veranstaltungen der Akademie finden Sie unter juzo.de/akademie.
Bilder: Juzo
Julius Zorn GmbH
Juzo mit Hauptsitz im bayerischen Aichach wurde 1912 in Zeulenroda (Thüringen) gegründet und beschäftigt weltweit über 1.100 Mitarbeitenden. Mit der Schwesterfirma in den USA und den verschiedenen Tochterfirmen und Vertriebsorganisationen in Europa und Kanada bedient der Hersteller medizinischer Hilfsmittel einen internationalen Markt. Als Spezialist mit über 100 Jahren Erfahrung in der Kompressionstherapie hat Juzo es sich zur Aufgabe gemacht die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und Beschwerden nachhaltig zu lindern. Dafür produziert das Unternehmen innovative Produkte – größtenteils „Made in Germany“ – aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Narbenmanagement und Orthopädie wie Kompressionsversorgungen in Rund- und Flachstrick sowie Bandagen und Orthesen. Neben den Produkten der Fachhandels-Marke Juzo gibt es die Juzo Akademie mit Fortbildungen für den medizinischen Fachhandel, die Marke sportomedix mit hochfunktionellen Produkten für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler und die Marke EquiCrown mit medizinischen Kompressionsbandagen für Pferde. Mit Hightech, Handarbeit und Herzblut arbeiten die Mitarbeitenden bei Juzo an innovativen und individuellen Lösungen für mehr Lebensfreude in Bewegung. Weitere Infos unter juzo.de